Gütersloh im März

Alles hat seine Zeit – oder warum ich die CeBIT nicht vermisse.

Es ist Januar und irgendwie hab ich dieses komische Gefühl, das mich immer um diese Jahreszeit beschleicht. Da war doch was. Ach ja, bald ist März und März ist gleichbedeutend mit CeBIT und CeBIT bedeutet Hektik, Stress und Aktionismus. Ja, ja, ich weiß, die Messe gibt es nicht mehr. Und selbst wenn sie dieses Jahr noch stattgefunden hätte, wäre sie im Sommer gewesen. Aber wer so lange wie ich im PR-Geschäft tätig ist, der wird diesen Phantomschmerz wohl nicht mehr los.

Was waren das für Zeiten! Jahr für Jahr stiefelten wir im März nach Hannover. Wobei man korrekterweise sagen muss, wir stiefelten die letzten Jahre nach Gütersloh. Die Jüngeren werden es sich kaum vorstellen können, aber früher war die Messe ein solcher Erfolg, dass es im Umkreis von 100 Kilometern kein freies Hotelzimmer mehr gab. Es sei denn man hatte Jahre im Voraus reserviert oder war bereit Unsummen pro Übernachtung zu bezahlen. Ja, es gab eine Zeit vor Airbnb und selbst wenn es diese Plattform damals gegeben hätte, eine Luftmatratze auf dem Fußboden eines Kinderzimmers vor den Toren der Stadt hätte mindestens 150 € die Nacht gekostet. Daher hatten wir unser Lager um die Ecke unseres alten Arbeitgebers Bertelsmann aufgeschlagen, denn in Gütersloh gab es noch bezahlbare Zimmer.

Wann war ich eigentlich das letzte Mal da? Es muss 2009 gewesen sein. Schon damals, wie all die Jahre davor, habe ich mich gefragt: Muss das alles wirklich sein? Und die Antwort war mindestens seit Beginn des neuen Jahrtausends ein schlichtes NEIN. Denn die Realität hatte die Messe längst ein- und überholt. Informationen gab es dank digitaler Medien rund um die Uhr; Produkte ließen sich auf Webseiten und als Video im Internet in aller Ruhe betrachten; für Testversionen neuer Software hatte sich der Download etabliert und Kommunikation mit Journalisten erfolgte zum Großteil bereits mittels E-Mail und Telefon. Nur die Messegesellschaft und leider auch einige unserer Kunden hatten dies noch nicht erkannt, beziehungsweise waren sie (noch) nicht bereit, den entsprechenden Schlussstrich zu ziehen.

Nichts gegen Gütersloh, denn die Stadt hat schöne Seiten. Ich erinnere mich immer wieder gerne an die vielen Abende, die wir in der Gaststätte „Fasan” um die Ecke von unserer Pension verbracht haben. Die leckeren Burger, heruntergespült mit Hefeweißbier, waren für uns zum eigentlichen Messe-Highlight geworden. Aber wer des Öfteren im März im Anzug mit viel zu dünnen Schuhen durch den Regen zum Bahnhof gelaufen ist, sich dort nach langer Wartezeit endlich in einem Abteil der Deutsche Bahn niederlassen konnte, um dann nach langer Zugfahrt in Hannover die endlosen Messewege auf sich zu nehmen – nur um die stressige Anreise gegen gestresste Journalisten, gestresste Standmitarbeiter und gestresste Besucher einzutauschen, der versteht, dass wir der CeBIT den Rücken gekehrt haben.

Die IT-Industrie ist nun einmal ein Bereich, in dem es um Effizienz geht. Und Effizienz bedeutet heute eben etwas anderes als 1990 oder 2000. Persönliche Meetings haben auch heute noch ihren speziellen Wert, aber dann doch bitte ohne das Drumherum einer solchen Messe, die am Ende allem und jedem gerecht werden wollte. Vertikale Messen, Ausstellungen von großen Anbietern, Google-Hangouts, Webinare und Meetings losgelöst vom Messestress, all das finde ich, ist einer Messe wie der damaligen CeBIT vorzuziehen.

Aber egal, welche Form für einen Event gewählt wird: Das A&O ist, dass es wirklich etwas Neues zu sehen bzw. zu erleben gibt. Zeit ist knapp und investierte Zeit muss sich lohnen. Diese Einschätzung teilen anscheinend auch die Millennials und damit die Entscheider von heute & morgen. Der Artikel Millennials – und was sie von Messen erwarten von Event-Partner bringt es gut auf den Punkt: „… ist der Wunsch, dass sich Messen verstärkt zu Events entwickeln, die man auf keinen Fall verpassen möchte.” Und damit sind sicher nicht ein Riesenrad und Auftritte glücklicherweise längst vergessener Schlagersterne gemeint.

In dem Sinne – man sieht sich!

Mit agiler Ambidextrie zu ganzheitlicher Disruption

Die Headline hat Ihre Aufmerksamkeit gewonnen, aber Sie haben kein Wort verstanden? Das ist nachvollziehbar… Leider kann ich Ihnen da auch nicht weiterhelfen. Soll aber gut für SEO sein!

Dass jeder Berufszweig eine eigene Fachsprache ausbildet, ist völlig normal. Neulich habe ich beispielsweise das Dach unseres Hauses erneuern lassen und hätte mir manchmal bei Google Translate die Option „Deutsch – Dachdecker” gewünscht. Aber wohl in keiner Branche ist die Halbwertzeit von Buzzwords so kurz wie in der IT. Ich behaupte, wenn man heute einen Informatiker nach 20 Jahren Tiefkühlschlaf wieder auftauen würde, stände er ziemlich verständnislos vor dem Kauderwelsch der Branche.

In der geschriebenen Sprache hat das Netz schon tiefe Furchen hinterlassen. Texte werden ja heute eher für Suchmaschinen geschrieben als für Informationssuchende. Und so lesen sie sich oft auch. Auffallend ist aber, dass diese geschriebene Sprache auch immer stärker auf die gesprochene Sprache abfärbt. Es gibt Manager, die reden mittlerweile druckreif SEO-optimiert. Im Gegensatz zu geschriebenen Texten hört da aber nicht Google zu, sondern ein Publikum, das Verständnis als Ergebnis des Zuhörens schon garnicht mehr erwartet. Das scheint aber niemanden zu stören, weil man in diesem Fall mit dem Smartphone seinen Geschäften, individuellem Unterhaltungsbedürfnis oder dem Hang zur Selbstdarstellung in sozialen Medien nachgehen kann.

Fakt ist jedenfalls, dass die Kommunikation zwischen den verschiedenen Gruppen in der IT-Branche mittlerweile ziemlich vermurkst ist. Vielleicht wäre es einen Versuch wert, den Ansatz der „leichten Sprache” mit besonderem Fokus auf die Verständlichkeit in der IT anzuwenden? Mein Traum wäre es aber, mit einer Auswahl hochrangiger IT-Manager einmal die 80er-Jahre Kindersendung „Dingsda” nachzuspielen, in der kleine Kinder Begriffe erklären mussten und jedesmal, wenn aus Versehen der betreffende Begriff genannt wurde, ein „Uups” in die Tonspur geschnitten wurde. Ich würde das dahingehend erweitern, dass für jeden unverständlichen Begriff ein „Uups” eingeblendet würde und beim dritten wäre man draußen. Da würde sich schnell die Spreu vom Weizen trennen!

Gespannt wäre ich auf die Erläuterungen zum Begriff „Ambidextrie”, laut der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung eine der Top-Managementphrasen 2018 (gefunden auf dem immer wieder lesenswerten Blog „Ich sag mal„). Ich löse einmal auf: Eigentlich meint das „Beidhändigkeit”, also in etwa die gleiche Geschicklichkeit links wie rechts (genau, links wie rechts, so wie Lothar Matthäus mit den Füßen). Genutzt wird es als Umschreibung für ein Organisationsprinzip, das Kerngeschäft und Innovation miteinander verbindet. Links und rechts, Yin und Yang, alles gehört zusammen. Jedenfalls bis zur nächsten Disruption. Oder so ähnlich…